Der Bund der Steuerzahler hat ausgerechnet, dass Hartz IV, je nach Familiengröße, mehr Geld einbringt als die tägliche Arbeit. Stimmt das wirklich?

Lohnabstandsgebot soll Grenze schaffen

„Wir müssen immer darauf achten, dass derjenige, der arbeitet, mehr hat, als wenn er nicht arbeiten würde“, sagte Angela Merkel nach ihrer letzten Wiederwahl. Den neuen Daten des Bundes des Steuerzahlers nach, die die FAZ gestern veröffentlichte, ist diese Achtsamkeit nicht ganz gegeben. Um auf netto Hartz IV-Niveau zu kommen, braucht eine vierköpfige Familie heute einen Bruttolohn von mindestens 2.540 Euro, um den Regelsatz von 1.928 Euro Hartz IV für eine ebenfalls vierköpfige Familie zu erreichen. Für eine fünfköpfige Familie sind dazu mindestens 3.300 Euro brutto im Monat nötig. Diese Zahlen widersprechen also Merkels Worten und dem Lohnabstandsgebot. Dies ist der Abstand zwischen Nettolöhnen niedriger Gehaltsgruppen und Sozialleistungen. Kann das wirklich stimmen?

Sieht man sich die Berechnungen präziser und unabhängig der aktuellen Schlagzeilen an, relativiert sich die Berechnung schnell. Denn die Berechnungen des Steuerzahlerbundes beinhalten nicht das Kindergeld. Addiert man alleine das zweifache Kindergeld dazu, ist das verfügbare Geld bereits höher als das einer vierköpfigen Hartz IV-Familie. Die Berechnungen des Steuerbunds stützen sich also auf einen Alleinverdiener, der knapp im deutschen Durchschnittslohn ist, dessen Partnerin nicht berufstätig ist und dessen Kindergeldansprüche nicht geltend gemacht wurden.

Kritik am Steuerzahlerbund

Mit den Berechnungen des Steuerzahlerbunds werde versucht, „ein Keil in die Gesellschaft zu treiben, um damit die politische Debatte zu beeinflussen. Hartz IV ist Armut und Ausgrenzung per Gesetz“, erklärt Susanne Ferschl, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linkspartei gegenüber tagesschau.de.

Aktualisierte Berechnungen laut dpa ergeben: Ein Alleinverdiener mit Partner und vier Kindern benötigt einen Bruttolohn von mindestens 1935 Euro, um das Hartz IV-Niveau zu erreichen. Beachtet man erneut das Lohnabstandsgebot, ist der Abstand jedoch tatsächlich nicht besonders hoch. Trotz der (nicht spürbar) gestiegenen Löhne.

Hartz IV löste Debatte aus

Zurzeit ist der Lebensstandard von Hartz IV wieder in aller Munde seit der neue Gesundheitsminister Jens Spahn verlauten ließ, dass Hartz IV keine Armut sei, sondern „die Antwort unserer Solidargemeinschaft auf Armut“. Jeder Bezieher habe genug zum Leben. Spahns Aussagen lösten eine Welle der Empörung aus.

Die offiziellen Zahlen sagen, dass die Zahl der Hartz-IV-Empfänger seit Jahren rückläufig ist. Seit 2008 ist die Zahl von rund sieben auf rund sechs Millionen zurückgegangen. Allerdings kam seit 2015 fast eine Million Flüchtlinge und Migranten hinzu, die neu ins Hartz-IV-System aufgenommen wurden, so die dpa.

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