Der Libanon ist nicht gerade für seine Edelmetallvorkommen bekannt. Große Raffinerien existieren nicht. Und dennoch summieren sich Libanons Goldexporte auf über 700 Millionen Dollar. 2016 entfielen 23 Prozent der gesamten libanesischen Exporte auf nicht-monetäres Gold. Der Großteil des Goldes ging dabei nach Südafrika. Wo kam er aber her und unter welchen Bedingungen?
Libanons Goldexporte machen 23 %
Erklärt man die Sparte Gold in den libanesischen Handelsdaten, stellt man fest, dass sich Libanons Einfuhren und Ausfuhren sehr unausgewogen zeigen. Libanons Goldimporte hatten 2016 zwar einen Wert von rund einer Milliarde US-Dollar – somit blieben 300 Millionen im Land – doch lag der Anteil von handelsfähigem, nicht-monetärem* Gold bei den gesamten libanesischen Einfuhren bei nur fünf Prozent. Ein weitaus geringerer Teil als die 23 Prozent der Ausfuhren. Die Haupteinfuhrwaren sind mineralische Rohstoffe (Erdöl), gefolgt von elektronischen Erzeugnissen, chemischen Produkten, Fahrzeugen und Metallen. Wichtigste Herkunftsländer sind China, Italien, Deutschland, Frankreich und USA. Die Importe zeigen sich deutlich stärker als die libanesischen Importe. 2015 lag das Außenhandelsdefizit bei 13,2 Milliarden US-Dollar. Auch Libanons Wirtschaft leidet unter dem Syrienkrieg. Wichtige Landhandelsrouten können derzeit nicht mehr offiziell genutzt werden.
Klar ist aber auch: Beirut fungiert als Transitzone im Goldhandel. Es importiert Gold aus Ägypten, der Schweiz und mehreren westafrikanischen Staaten, um es anschließend wieder zu verkaufen. Anders als die Schweiz, hat der Libanon aber keine Raffinerien in Südamerika. Warum dient das kleine Land also als Zwischenstation?
Gold im Kreislauf
Obwohl Libanons Goldexporte eine große Auswirkung auf die libanesische Handelsstatistik hat, umso weniger direkte Wirkung haben diese auf die Wirtschaft. Der nationale Goldhandel ist überschaubar. Die Arbeitsplätze im Schmuckhandel werden zwar geschaffen, halten sich aber begrenzt. Der Libanon ist mit 4,4 Millionen Einwohnern ein kleines Land. Der Wachstum wird durch den Krieg im Nachbarsland gedrückt. Libanon liegt auf Platz 27 der größten Goldimporteure und auf Platz 61 der Goldexporteure. Es gibt nur wenige kleine Raffinerien im Libanon. Diese sind aber nicht an der London Bullion Metal Association (LBMA) registriert. Aus Westafrika stammendes Gold wird durch den Libanon exportiert, um im Ausland verfeinert zu werden. Ein Teil davon wird anschließend wieder importiert und mit dem Namen der LBMA-anerkannten Raffinerien wie Valcambi, Metalor oder Rand gestempelt, um handelsfähig zu sein. Laut den Handelsdaten bleibt Gold im Wert von etwa 300 Millionen US-Dollar im Land. Für den Handel oder für Investitionen.
Trotz der von Bürgerkrieg geprägten Vergangenheit und der Verluste von Gold und Ersparnissen infolge dessen, vertrauen die Menschen im Libanon wieder mehr in Gold als Investition. Die politischen Spannungen um den Libanon herum bringen das Volk trotz des starken Bankensystems wieder dazu Gold zu kaufen.
Libanons Goldimporte stammen aus Westafrika
Libanons Goldimporte stammten 2016 zu 41 Prozent aus den westafrikanischen Staaten Togo, Ghana, Benin, Guinea, Mali und Burkina Faso. Auf die Frage, warum Gold durch den Libanon fließt und nicht direkt in Raffinerien in Ländern wie der Schweiz oder Südafrika exportiert wird, gibt es keine klare Antwort „Historisch gesehen hat der Libanon immer die Rolle eines Handelsvermittlers zwischen Europa und den arabischen Ländern gespielt“, sagt der libanesische Ökonom und Professor Elie Yachoui.
Geht es in medialen Berichten in einem Satz um Gold und Afrika, so folgen alsbald die Themen Geldwäsche, Korruption oder Menschenrechtsverletzungen. Die Organisation „The Global Initiative against Transnational Organized Crime“, die sich speziell mit letzterem Thema beschäftigt, hat eine vierjährige Recherche bezüglich des Goldhandels in westafrikanischen Ländern durchgeführt. Über die Finanzströme im Zusammenhang mit der Goldproduktion in Sierra Leone veröffentlichte die Organisation einen Bericht, der bestätigt, dass es Praktiken gibt, die verschleiern sollen aus welchen Staaten das Gold kommt, welches in den Libanon importiert wurde.
Auch wird Gold aus Togo nach Libanon exportiert, obwohl Togo kaum Gold produziert. Offensichtlich handelt es sich um Schmuggelware, die von Ghana oder Burkina Faso nach Togo kam. Gold, welches aus westafrikanischen Staaten durch den Libanon nach Europa geht, ist also kaum rückverfolgbar. Kinderarbeit und andere menschenunwürdige Arbeitsverhältnisse können somit nicht angeklagt werden. Ein Vorteil für europäische Raffinerien, die mit so einer PR nicht in Verbindung gebracht werden wollen.
Handel mit Konfliktgold
Negativbeispiel sind die Anschuldigungen der Schweizer NGO Public Eye vom September 2015. Die Organisation warf der großen Schweizer Raffinerie Valcambi vor, Gold aus Togo zu importieren. Das Gold wurde angeblich von Burkina Faso geschmuggelt, wo es von Kindern und Erwachsenen „unter abgründigen Bedingungen“ produziert wird. In dem Zusammenhang wurde auch Wafex, eine libanesische Handelsfirma mit Sitz in Togo, genannt.
Nach der Veröffentlichung des Berichts hat Valcambi eine Pressemitteilung herausgegeben, in der es hieß, alle „Raffinerieaktivitäten im Zusammenhang mit den Einfuhren aus Togo“ werden bis zu einer internen Untersuchung ausgesetzt. Im vergangenen Februar gab Valcambi bekannt, dass die Untersuchung keine Korruption oder Kinderarbeit enthüllt habe. Man halte sich an die strengen schweizerischen Gesetze gegen Geldwäsche und die Finanzierung des Terrorismus. Valcambi betonte, dass die Überwachung der Einhaltung der Gesetze durch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erfolgt und man sich daran beteiligt Kinderarbeit oder Menschenrechtsverletzungen zu bekämpfen.
Südafrika größter Abnehmer
Geht es um Libanons Goldexporte ist die Schweiz das kleinere Ziel. Südafrika spielt für den Goldhandel aus dem Libanon die weitaus größere Rolle. Der Anteil der libanesischen Goldexporte gen Südafrika wuchs von 71 Prozent im Jahr 2013 auf 89 Prozent im vergangenem Jahr. 2016 haben sich Libanons Goldexporte nach Südafrika verdreifacht (plus 226 Prozent). Mutmassungen nach stieg der Anteil, da Südafrikas Gesetze zur Kinderarbeit und Geldwäsche weniger streng beobachtet werden als von der Schweiz.
Ebenso kann es aber vordergründliche finanzielle Gründe haben. Ein anonymer libanesischer Händler sagt, dass der Handel nach Südafrika schlicht günstiger ist als in die Schweiz. Zudem haben libanesische Händler ihre Provisionen gekürzt, sodass generell mehr Bestellungen durchgeführt wurden. Dubai erhob eine fünfprozentige Steuer auf eingeführtes Gold und wird somit eventuell vermehrt gemieden. Ebenso findet wiederverwertbares Gold aus Ägypten und Syrien immer öfter den Weg in den Libanon.
Die Spuren vom Konfliktgold werden vielerorts verwischt. Je mehr Einfuhren Gold erfährt, umso schwieriger wird es seine Herkunft rückzuverfolgen. Der Goldhandel in und aus Afrika ist nach wie vor undurchsichtig. An manchen Stellen soll er es wohl auch bleiben. Speziell an den Schauplätzen, wo schmutziges Gold sauber gehandelt wird.
Quelle: Executive Magazine
*Nicht-monetäres Gold enthält Goldbarren und Münzen sowie Gold in Pulver- oder anderen Roh- oder Halbfabrikaten. Nach den Statuten der UN gilt Gold als monetär, wenn es von Finanzministerien als Währungsreserven gehalten wird.