Zurzeit ist die Meldung in aller Munde: Fast 350 Millionen Euro Kindergeld flossen 2017 auf ausländische Konten. Zehnmal mehr als vor sieben Jahren. Klarer Fall von Sozialbetrug oder doch nachvollziehbar?
Die Meldung des Redaktionsnetzwerks Deutschland über die Kleine Anfrage der AfD verbreitete sich heute rasend schnell. Die Bundesagentur für Arbeit hat 2017 rund 343 Millionen Euro Kindergeld auf ausländische Konten überwiesen. 2010 soll der Betrag noch 35,8 Millionen Euro hoch gewesen sein. Somit hat sich der Betrag in nicht einmal zehn Jahren verzehnfacht. Wie kann das sein?
Wer Steuern zahlt, hat Anspruch auf Kindergeld
Zunächst muss erklärt werden, dass EU-Ausländer für die Dauer ihres Arbeitsaufenthalts in Deutschland einen Anspruch auf Kindergeld haben. Unabhängig des Wohnorts der Kinder. Wer Steuern zahlt, hat Anspruch auf Leistungen. Während dies im Dezember 2010 noch für 61.615 ausländische Kinder in Anspruch genommen wurde, wurde Kindergeld im Jahr 2017 bereits an 215.499 Kinder überwiesen. Das meiste Geld wurde an Konten in Polen (103.000 Kinder), in Kroatien (17.000 Kinder) und in Rumänien (17.000 Kinder) gezahlt, so der Bericht. Zudem erhielten knapp 34.000 deutsche Kinder Kindergeld, die im Ausland leben.
Rückwirkende Zuzahlungen
Wie erklärt sich der hohe Anstieg? Zunächst muss man feststellen, dass die Zahlen 2017 wieder zurückgegangen sind. Im Vorjahr waren es noch 414 Millionen Euro. Dies erklärt die Bundesagentur auch damit, dass 2016 viele rückwirkende Nachzahlungen von Vorjahren getätigt wurden. Die Migration stieg über die letzten Jahre und ebenso die Anzahl der Berufstätigkeiten. Eben auch für Nicht-Deutsche. Und auch wenn es viele Fälle von Sozialbetrug gibt, ist die hohe Zahl der Kindergeld-Empfänger im Ausland erklärend.
Mehr Arbeiter aus den Nachbarländern
Seit 2011 stieg durch die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit für die EU-Mitgliedsstaaten Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn, und seit 1. Januar 2014 auch für Rumänien und Bulgarien die Zahl der Arbeiter aus diesen Ländern. Zudem muss man die direkten Nachbarländer Deutschlands beachten. Neben Polen und Tschechen arbeiten auch Österreicher in Bayern oder vermehrt Eltern französischer Kinder im Saarland in Deutschland. Die Gruppe der französischen Konten, auf die deutsches Kindergeld fließt, ist mit 16.000 Kindern nur knapp hinter den Rumänen. Darüber hinaus gilt das Recht innerhalb der EU und auch der Schweiz ebenso umgekehrt.
Geltendes EU-Recht
Insgesamt macht der Beitrag der ausländischen Überweisungen etwas mehr als einen Prozent des gesamten Kindergelds aus (rund 30 Milliarden Euro). Was die Politik an dem hohen Betrag von 343 Millionen Euro stört, ist das Verhältnis der Lebenskosten vom Ausland zu Deutschland. Der damalige Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte der EU-Kommission vor einem Jahr einen Gesetzentwurf vorgelegt, der besagt, dass Kindergeld für EU-Ausländer, die in Deutschland arbeiten, dessen Kinder aber im Ausland leben, an das Niveau des Heimatlandes angepasst werden sollen. Passiert ist jedoch nichts. Seitdem liegt der Gesetzesentwurf unberührt bei der EU-Kommission. Das Thema der Kindergeld-Anpassung für ausländische Kinder soll auch bei der neuen GroKo auf dem Plan stehen.
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