Die Debatte um ein mögliches Bargeldverbot reißt nicht ab. Schon lange nicht mehr als Verschwörungstheorie abgestempelt, befasst sich auch die EZB mit dem Thema und vergleicht den Euroraum.

80 % der Deutschen zahlen bar

Bargeldverbot unmöglich?
Quelle: EZB

Die Europäische Zentralbank hat eine Studie zum Zahlungsverhalten im Euroraum veröffentlicht. Geht es nach dieser, wird es ein Bargeldverbot sehr schwer haben. Denn Bargeld ist im Euroraum nach wie vor das beliebteste Zahlungsmittel. Noch! Denn das kontaktlose Bezahlen ist klar auf dem Vormarsch.

79 Prozent der Einkäufe im Euroraum wurden an der Kasse durch eine Barzahlung getätigt. 19 Prozent aller Einkäufe wurden von den Konsumenten mit der Karte bezahlt. Besonders Deutschland hängt an seinem Bargeld. Ein Bargeldverbot wird hierzulande seit Jahren diskutiert und jede Entwicklung mit Sorge betrachtet.

Denn das deutsche Portemonnaie ist mit durchschnittlich 103 Euro im Vergleich zum Euroraum am prallsten gefüllt. Das Bargeld soll bleiben. Der gleichen Meinung sind auch Luxemburg (102 Euro) oder Österreich (89 Euro). Das Gefälle ist aber groß. Ungeachtet, ob ein Bargeldverbot gut oder schlecht wäre, gehen die Franzosen (32 Euro) und Portugiesen (29 Euro) mit deutlich weniger Bargeld aus dem Haus.

Geht es um die Barzahlung an der Kasse, zahlen die Bürger Maltas (92 Prozent), Spaniens (87 Prozent) und Griechenlands (88 Prozent) am liebsten mit Hartgeld. Natürlich gehört Deutschland mit 80 Prozent getätigten Barzahlungen ebenfalls zur Spitzengruppe.

Im Norden wird es digital

Auch wenn die erwähnten 79 Prozent aller Einkäufe im Euroraum in bar bezahlt werden, ist eine Entwicklung gegen das Bargeld zu erkennen. Ein Bargeldverbot ist möglicherweise nicht mal nötig. In Skandinavien ist das bargeldlose Zahlen längst auf dem Vormarsch. Schweden wird zunehmend bargeldloser. Einzelhändler dürfen die Annahme von Bargeld verweigern. In Norwegen, Dänemark, Island (und gezwungenermaßen in Indien) ist der Bargeldanteil in den letzten Jahren deutlich gesunken. Im gesamten Norden des Euroraums wird nur in etwa jede zweite Bezahlung in bar getätigt. Besonders deutlich in Estland (48 Prozent) und den Niederlanden (45 Prozent).

Bargeldloses Zahlen wächst

Auch der Betrag spielt eine Rolle. Fast zwei Drittel der Einkäufe an den Kassen im Euroraum lagen demnach unter 15 Euro. Bis 45 Euro ist Bargeld das populärste Zahlungsmittel. Das bargeldlose Zahlen wird dennoch populärer. Die Menschen, die Bargeld vorziehen werden älter. Laut der Studie sind es besonders die Menschen über 40 Jahre, die Bargeld favorisieren. Wird die Möglichkeit, Einkäufe bis 25 Euro kontaktlos per App oder Karte zu bezahlen, ausgearbeitet und verbreitet, dürften Barzahlungen dann abnehmen, so die EZB.

Weitere Studien stimmen ein

Laut einer Studie der Beratungsgesellschaft Boston Consulting Group (BCG) stiegen die bargeldlosen Transaktionen zwischen 2010 und 2016 jährlich um sieben Prozent (Italien 4,5 %, Spanien 2,1 %). Eine Studie von Cap Gemini und BNP Paribas ist noch höhere Zahlen. Logisch, dass jüngere Generation einfacher vom bargeldlosen Bezahlen zu überzeugen sind als die älteren. Das Vertrauen ins Bezahlen per Smartphone wächst natürlich bei den Jüngeren. Das Ergebnis einer Allensbach-Studie, die im Auftrag des Vereins „Initiative Deutsche Zahlungssysteme“ erstellt wurde, zeigt, dass die Altersgruppe der 30 bis 44-Jährigen beim Zahlen lieber zur Karte, anstelle zu Bargeld greift. Im vergangenen Jahr lag der Anteil der Karten-Freunde noch bei 44 Prozent, mittlerweile sind es 51 Prozent. Die Tendenz geht also in die Richtung des digitalen Zahlens. Auch stieg die Akzeptanz bei den Jüngeren. Bei den 16 bis 29-Jährigen stieg der Anteil von 32 auf 38 Prozent.

Deutschland hinkt beim Thema innovativen Ländern wie den USA, Australien und Schweden hinterher. „Deutschland war einmal Vorreiter bei Innovationen im Zahlungsbereich und im elektronischen Zahlungsverkehr, droht jetzt aber den Anschluss zu verlieren“, so Niclas Storz, BCG Senior Partner, zu den Ergebnissen der Studie. „Die Banken müssen dringend schnellere und einfachere Interaktionsmöglichkeiten mit den Kunden entwickeln. Hier sind ihnen die Fintechs teilweise deutlich überlegen. Sie brechen mit innovativen Lösungen im Zahlungsverkehr in profitable Geschäftsfelder der Banken ein und positionieren sich in den attraktiven Feldern der Kundenschnittstellen. Dies wird sukzessive zu sinkender Kundenloyalität und zum Abwandern von Erträgen führen“, mahnt Storz.

Laut BGC beliefen sich die bargeldlosen Transaktionen weltweit auf einen Gesamtwert von 1,2 Billionen US-Dollar. Bis 2026 soll dieser Wert auf 2,1 Billionen USD anwachsen. Schwellenländer werden auf den bargeldlosen Zug aufspringen und Fintechs werden neue Trends schaffen.

Filialen schließen

Auch der Zugang zum Bargeld wird problematischer. „Die Versorgung mit Bargeld ist für den Verbraucher schon heute mitunter schwierig, weil immer mehr Bankfilialen, Servicecenter und Geldautomaten geschlossen oder abgebaut werden“, sagt das Bundeskartellamt in einer aktuellen Untersuchung über Gebühren für das Geldabheben. Die Banken sparen seit Jahren. Besonders der Filialabbau ist dabei ein gängiges Prozedere und für die Banken leidiges Thema. Laut Bankenverband gibt es in Deutschland rund 36.000 Filialen von Banken und Sparkassen, etwa 22 Prozent weniger als zehn Jahre zuvor.

Kampf gegen Kriminalität als Begründung

Dass die bereits bestehende Bargeldobergrenze in den Augen der EU nicht einheitlich und weiterhin zu hoch angesetzt ist, ist bereits bekannt. Auch kommen immer wieder Informationen an die Öffentlichkeit, dass man sich mit einer EU-weiten Obergrenze von 5.000 Euro befasst. Selbst ein Goldverbot wird in Erwägung gezogen. Alles für den Kampf gegen die Finanzierung des Terrors und gegen Geldwäsche beziehungsweise Steuerhinterziehung versteht sich. In Deutschland wurde die Obergrenze der anonymen Barzahlung im Sommer von 14.999 auf 9.999 Euro gedrückt. Es geht aber noch deutlich geringer. In Italien und Belgien darf anonym bis maximal 3.000 Euro gezahlt werden. Es folgen Spanien (2.500 Euro), Griechenland (1.500 Euro) sowie Portugal und Frankreich mit nur 1.000 Euro. Alle Beträge darüber erfordern das persönliche Ausweisen.

Bankgeheimnis ist bereits passé

Nachdem 2016 der Skandal um die Panama Papers (Steuerumgehung durch Briefkastenfirmen) publik wurde, erarbeitete die Bundesregierung einen Entwurf, der Steuerumgehungsmöglichkeiten mittels der Gründung und Nutzung von Briefkastenfirmen verhindern soll – mithilfe von Auskunfts- und Informationspflichten. Ungeachtet der großen Medien wurde im Frühling ein neues Gesetz erarbeitet und im Juni vom Bundesrat verabschiedet – ohne Gegenwehr der Opposition. Mit Einzug des Steuerumgehungsbekämpfungsgesetzes wird das Bankgeheimnis gänzlich abgeschafft. Dem Staat beziehungsweise der Steuerbehörde ist es nun jederzeit erlaubt, sich mutwillig Zugang zu Bankkonten zu beschaffen. Der  § 30a der Abgabenordnung wird somit aufgehoben. Das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Bank und Kunde wird hinfällig.

Bargeldverbot und die Folgen

Ein Bargeldverbot schürt Ängste. Viele sehen Kontrolle und Überwachung als die Folge. Die Sorge um sein privates Vermögen wächst. Auch das Misstrauen gegenüber der Regierung, die jederzeit Zugriff auf das digitale Geld hätte. Ganz abgesehen von der steigenden Cyberkriminalität. Nimmt man der Gesellschaft das Bargeld, hätte man vollste finanzielle Kontrolle über sie. Extrem gedacht, könnte man ihr Bedingungen auferlegen, die sie erst erfüllen muss, um überhaupt Teil der Gesellschaft zu sein. Die Eröffnung eines Bankkontos, der Erwerb einer Arbeit, das tägliche Einkaufen könnten Voraussetzungen obliegen, die unsere Freiheit gefährden. Für ältere Bürger würde dies eine Umstrukturierung ihres Alltags bedeuten und sie wären auf Hilfe angewiesen. Deutlich betroffen wären die am Rande der Gesellschaft, die auf Bargeldspenden angewiesen sind.

(Titelbild/Quelle: istock.com)

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