Der Euro – unser Geld
Gemeinhin ist die Euro-Banknote und das Guthaben auf dem Konto das, was jeder als Geld versteht. Beides wird als „gesetzliches Zahlungsmittel“ verstanden und synonym verwendet. In Zeiten von Bitcoin oder der Facebook-Libra stellt sich jedoch die Frage, was Geld wirklich ist? In Deutschland gehen die Bürger davon aus, dass der Euro das einzige gesetzliche Zahlungsmittel ist.
Aber so ganz richtig ist das gar nicht. Denn das gesetzliche Zahlungsmittel ist, was das Bundesbankgesetz festlegt: Das einzige, unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel sind auf Euro lautende Banknoten, die die Bundesbank oder eine andere europäische Zentralbank ausgegeben hat. Es ist also schon mal nicht Ihr Bankguthaben. Das ist, obwohl Sie es ganz normal für Zahlungen verwenden, eben keine Banknote, sondern Buchgeld. Nun überwiegt bekanntermaßen das Buchgeld bei Weitem den Bestand an Bargeld. Ca. 80% der Geldmenge sind also Buchgeld auf Bankkonten, etwa 10% sind Banknoten und die fehlenden 10% sind Zentralbank-Geld, das dort als Sichteinlagen zur Verfügung steht. Zentralbanken sind jeweils die staatlich beauftragten Banken, die den Bargeld-Verkehr steuern. Sie geben das Geld heraus, das von Geschäftsbanken an deren Kunden ausgezahlt wird. Nur das von Zentralbanken hergestellte Geld wird bei Auszahlung ein gesetzliches Zahlungsmittel. Jede Geschäftsbank, bei der Privatkunden ein Konto unterhalten, muss deshalb ein eigenes Konto bei der Zentralbank führen. Die Geschäftsbanken machen dort auch ihre Schulden, wenn sie Bargeld abrufen und dort kein Guthaben haben. Einen weiteren Unterschied gibt es zwischen Banknoten und Münzen. Die Banknoten gibt wie gesagt die Bundesbank aus. Die Euro-Münzen gibt jedoch das Finanzministerium aus. Sie liefert jedoch wieder an die Bundesbank, sodass die Bundesbank als die deutsche Zentralbank sowohl Münzen also auch Banknoten an die Geschäftsbanken ausliefert.
Buchgeld
Die Geschäftsbanken schaffen mit dem Buchgeld einen Strom an zusätzlichem Geld. Dies entsteht in der Hauptsache über die Vergabe von Krediten und den dafür zu zahlenden Zinsen. Die Geldmenge weitet sich deshalb immer weiter aus. Dieser ständig wachsenden Geldmenge steht eine begrenzte Menge an Rohstoffen und Warenproduktion gegebenüber, sodass es zu einer Geldentwertung kommt: Jedes Jahr ablesbar an den steigenden Geldmengen, die für die gleiche Menge an Waren im statistischen Warenkorb aufgewendet werden muss. Die Preissteigerungsrate ist also ein Indiz für mehr Geld, das sich im Umlauf der Banken und Verbraucher befindet. Eine fallende Preissteigerungsrate kann nur entstehen, wenn Marktänderungen dafür sorgen, dass Waren oder Rohstoffe günstiger werden. Ernteeinbrüche, Rohstoff-Knappheiten und anderes befeuern die Preissteigerungen jedoch zusätzlich.
Bitcoin und Co.
Den Kryptowährungen wie Bitcoin oder dem angekündigten Libra von Facebook ist dagegen eine andere Art der Schöpfung eigen. Sie werden aus Algorithmen berechnet, die vorgeben, in welcher Zeit sie als vollständiger Datensatz erscheinen und verbreitet werden können. Ihre Produktion ist daher endlich, wenn sie so verwendet werden, wie sie als Idee gedacht wurden. Beim Bitcoin sorgt ein immer längerer Rechenaufwand dafür, dass die Schaffung neuer Bitcoins bereits sehr viel langsamer abläuft, als es zu Beginn der Fall war. Die Libra soll ähnlich funktionieren. Bitcoin hat sich bereits als Quasi-Standard der Krypto-Währungen etabliert, bei Libra ist zu vermuten, dass aufgrund des Betreibers mit Milliarden „Kunden“-Konten eine hohe Bekannheit und Verbreitung möglich ist. Schon seit Jahren kann man bei einigen Unternehmen mit Krypto-Währungen Waren oder Dienstleistungen bezahlen. Sie haben damit eine Geldfunktion, obwohl es keine physische Form für sie gibt. Genau dies ist jedoch auch die Funktion des Buchgeldes, in Euro.
Zentralbank-Geld
Die Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) diskutiert derzeit, ob das Zentralbankgeld, also die Menge an Geld, die in den Zentralbanken als Sichteinlage vorgehalten wird, bereits als gesetzliches Zahlungsmittel gelten soll. Man will auf diese Weise das gesetzliche Zahlungsmittel ausweiten. Dies müsste zunächst juristisch bearbeitet und in Gesetze gegossen werden. Die praktischen Auswirkungen wären jedoch, dass sich jeder Bürger zukünftig ein Konto bei der Zentralbank einrichten könnte, nicht mehr nur bei den Geschäftsbanken. Damit würde sich auch die Gefahr der Verlagerung von Geldgeschäften weg von Geschäftsbanken, hin zu den möglicherweise sichereren Zentralbanken vollziehen. Ein sogenannter Bank-Run, also das massenweise Entnehmen von Bankgeldern über eine Bargeld-Auszahlung oder Überweisung auf eine andere Bank, würde deutlich schneller ablaufen können. So könnte dieser Weg das Bankensystem insgesamt destabilisieren. Die Geschäftsbanken hätten möglicherweise erhebliche Wettbewerbsnachteile. Die Notenbank hätte jedoch plötzlich eine weitere Stellschraube für die Schaffung von Geld, sie könnte nämlich das dann bei ihr entstehende Buchgeld sofort vollständig kontrollieren.
Geldmonopol
Es wäre eine Stärkung des derzeitigen Geldmonopols, das seit dem Auftauchen der Kryptowährungen bereits angeschlagen ist. Eine Kryptowährung muss seinen Benutzern einen Sinn geben: Sie müssen damit einfach und günstig Dienstleistungen und Waren kaufen können. Dies ist derzeit noch nicht der Fall, mit der erwarteten hohen Verbreitung der Libra jedoch wächst die Möglichkeit, das Geldmonopol der Zentralbanken zu schwächen. Gleichzeitig wächst auch der Entzug von Kapital aus dem Geldmarkt. Wenn Euro in Libra oder Bitcoin umgewandelt werden, sind sie Teilen der Wirtschaft und den Staaten entzogen, solange, bis sie wieder umgetauscht wurden. Dies ist auch der Fall bei Gold. Je weiter verbreitet die Entnahme von Kapital aus der staatlich geordneten Geldmenge und Währung ist, desto weniger Einfluss haben Notenbanken auf die wirtschaftlichen Abläufe in ihren Wirtschaftsgebieten. Deshalb kann es durchaus sein, dass die Politik die Verwendung von Kryptowährungen einschränken will. Umgekehrt müssen die Kryptowährungen ihrerseits einen Weg bieten, sich einfach und sicher verwenden zu lassen. Wenn an dieser Stelle zu hohe Transaktionskosten in Form von Wechselgebühren oder Zahlungsgebühren entstehen, kann die großflächige Verwendung noch kippen. Gold hat in diesem Zusammenhang eher die Funktion des Aufbewahrens und Hortens von Werten. Es lässt sich ebenso wie Kryptowährungen jederzeit wieder in Geld umwandeln. Beide unterliegen jedoch Kursschwankungen.
Gefahren für Bitcoin, Libra oder Gold?
Die Politik der Notenbanken kann dafür sorgen, dass Kryptowährungen nicht in gesetzliche Zahlungsmittel umgewandelt werden dürften oder das sie als Wertpapiere gelten sollten. Deshalb reagieren nicht nur die Kurse der Kryptowährungen, sondern auch die Nutzerzahlen und die Transaktionsvolumina immer sehr stark auf Meldungen zu einer möglichen Regulierung. Für die Nutzung von Kryptowährungen benötigt man regulierte Finanzinstitute, wie die Geschäftsbanken. Deshalb sind die Kryptowährungsmärkte immer noch nach Landesgrenzen aufgeteilt und fallen in den Geltungsbereich nationaler Vorschriften. Gut sichtbar ist dies z.B. beim Bitcoin, dessen lokaler Wechselkurs in Südkorea zeitweise 50% höher lag als in den USA. Daran partizipieren konnte man aber nur, wenn man in Korea ein Bankkonto führt. In Anlehnung an das koreanische Nationalgericht ist diese Bitcoin-Merkwürdigkeit „Kimchi-Prämie“ genannt. China hat Ende 2017 ein striktes Verbot des Bitcoin-Handels angedeutet, worauf sich dieser massiv zugunsten anderer asiatischer Währungen verlagerte. Seit 2018 äußern viele Behörden und internationale Instanzen Bedenken. Kryptowährungen können wie Gold ohne ein institutionelles Fundament wie Zentralbanken funktionieren.
Derzeit sind Kryptowährungen zunächst nicht weiter reguliert, ebenso wie Gold. Es wäre jedoch möglich, z.B. die Verwendung für bestimmte wirtschaftliche Zwecke einzuschränken. Im derzeitigen Referentenentwurf zur Novelle des Geldwäschegesetzes sind Krypto-Händler beispielsweise explizit genannt. Aktuell stellen die Kryptowährungen und Gold keine Gefahr für die internationalen Finanzmärkte dar. Neue Arten von Krypto-Produkten wie Fonds oder Derivate auf Kryptowährungen sorgen jedoch für eine stärkere Verflechtung mit dem herkömmlichen Finanzsystem.
Bitcoin, Libra oder Gold?
Kryptowährungen sind deshalb nicht wie Gold zu verstehen. Sie sind kein geeignetes Wertaufbewahrungsmittel, denn es besteht das Risiko, dass sie nicht mehr gehandelt werden dürfen. Das ist zwar unwahrscheinlich und auch schwierig international durchzusetzen. Aber es wäre machbar und damit würde die Kryptowährung sofort wertlos. Dieses Szenario gilt für Gold nicht. Es ist nicht zu erwarten, dass sich plötzlich reiche Lagerstätten finden, die günstig abgebaut werden könnten. Der Bestand an Gold steigt daher nur langsam und ebenfalls wie bei den rechenintensiven Kryptowährungen langsamer als in den Vorjahren. Gold lässt sich jedoch aus dem Wirtschaftskreislauf nicht entfernen. Es wird in der Industrie immer benötigt werden. Und im Privaten lässt es sich auch bei einem Verbot noch aufbewahren und unter Privatleuten nutzen, Stichwort Schwarzmarkt. Auch in der Vergangenheit liessen sich Goldverbote nicht vollständig durchsetzen.
Eine Rückkehr zum goldgebundenen Währungsstandard wird trotzdem nicht möglich sein. Es lässt sich bei einer Bindung an den Rohstoff Gold, dessen Menge bekanntlich nicht erhöht werden kann, keine Abwertung einer Währung durchführen. Dies ist aber das einzige Mittel, um Wirtschaftsschwächen oder -Schwankungen ausgleichen zu können. Dieses Mittel wäre jeder heutigen Notenbank zu wichtig, um es durch die Bindung an Gold zu verlieren.
Es wird spannend ab 2020
Interessant ist also ein Ausblick in die Zukunft. Die Libra als Facebook-Kryptowährung ist für 2020 angekündigt. Da sich Krypowährungen immer weiter im Markt durchsetzen werden, ist es spannend, dort zu investieren. Das Risiko ist hoch, aber ein Verlustszenario derzeit noch weit entfernt. Leider sind die bekannten Kryptowährungen jetzt eher überbewertet und ein erster Einstieg legt noch hohe Hürden, im technischen wie im Sinn des Nutzungsverständnisses. Aber bei einem Einbruch könnte man durchaus in Versuchung geraten, mal einen Kauf zu tätigen. Ebenso wie bei Gold, es kann sich lohnen, eine Kursschwäche zum Kauf zu nutzen. Sie sehen, wir begreifen diese beiden nicht als Konkurrenten, sondern als Ergänzungen zu einem spannenden Anlage-Mix, der in eine weiter diversifizierte Wirtschaft der Zukunft ausgerichtet ist.